Er ist einer der bekanntesten Winzer Deutschlands, und hat sicher vieles dazu beigetragen, dass die Pfalz – im wahrsten Sinne des Wortes – derzeit in aller Munde ist: Markus Schneider, Winzer aus Ellerstadt, gebürtiger Pfälzer mit Leib und Seele. Für #EINSTÜCKPFALZ sprachen wir mit ihm über Corona, Wein und die Liebe zur Pfalz.
Herr Schneider, in diesen Tagen kommt man um dieses eine, alles beherrschende Thema Corona-Krise nicht herum, für uns alle bedeutet es viele Einschnitte. Wie wirkt sich die aktuelle Situation derzeit auf Ihren Alltag aus?
Wir Winzer, oder ich spreche jetzt mal für alle Landwirte, wir sind natürlich krisenerprobt. Das hat im Moment keiner so richtig auf dem Schirm: aber am 20. April 2017, da hatten wir hier im Ort 6 Grad Minus, und waren mit dem Austrieb schon sehr weit. Wir haben damals in einer einzigen Nacht in vielen Weinbergen jeden einzelnen Trieb an den Stöcken verloren. Das heisst für uns: ein Verlust, der uns von der Natur zugefügt wird, das sind wir gewöhnt. Natürlich ist das, was jetzt passiert, nicht vergleichbar, weil die ganze Welt betroffen ist. Aber für uns ist es üblich, dass wir mit Krisen, hohen Verlusten und Einschränkungen umgehen müssen.
Machen Sie uns doch in dieser Krisenzeit etwas Hoffnung auf bessere Zeiten. Was lagert denn da derzeit in Ihren Fässern, worauf sich die Kunden freuen können und auch Sie sich freuen?
Das ist natürlich sowas, was alles ein bisschen untergeht im Moment in der Kommunikation, aber sich im Glas widerspiegelt: ich habe via Social Media so viele Reaktionen wie noch nie auf einen Jahrgang. 2019 ist absolut hervorragend. Vielleicht ist es auch der Tatsache geschuldet, dass viele Leute zu Hause sind, aber ich habe derzeit sicherlich die fünf- bis sechsfache Anfragenmenge, Lob oder Bilder, die ich geschickt bekomme wegen des 2019er Jahrgangs.
Bei #EINSTÜCKPFALZ im Online-Shop gibt es einige ausgewählte Stücke Ihres Weingutes. Verraten Sie uns etwas dazu, was erwartet die Kunden da?
Das ist einmal der Bubbly, das hört sich so ein bisschen lax an, aber ich wollte nicht einfach einen normalen Winzersekt machen. Durch meine vielen Reisen habe ich festgestellt, dass in der südlichen Hemisphäre alle von „Bubbly“ sprechen, so wird der „Sparkling“ Sekt liebevoll bezeichnet. In unserem „Bubbly“ ist jetzt ein Großteil Chardonnay, eine kleine Menge Pinot Noir, es ist eine Flaschengärung, aktuell Jahrgang 2016 auf dem Markt.
Der Rosé Saigner, da haben wir mit dem Jahrgang 2018 eine kleine Stilveränderung vorgenommen: noch frischer, schlanker, weniger Alkohol, lichter in der Farbe, also eher der internationale Rosé, etwas mehr Biss, weniger Süße. Und das ist auch das, was ich privat und meine Leute hier privat gern trinken.
Der Black Print – ohne ihn würde das Weingut Schneider nicht existieren. Dieser Wein hat uns bekannt gemacht, und dieser Wein hat uns auch die Möglichkeit gegeben, wieder zu investieren. Wir waren in der Anfangszeit nur von fremden Kapital abhängig. Also in den ersten Jahren war einfach nichts da von der Familie. Und deswegen war dieser Erfolg, den wir mit Black Print erfahren haben, ganz wichtig für die Entwicklung des Weingutes. Jetzt aktuell ist der Jahrgang 2018, aus dem hervorragenden Sommer, bei uns und natürlich bei #EINSTÜCKPFALZ erhältlich.
Dann noch: das Einzelstück – unser ältester Weinberg. Für mich als Mensch Markus Schneider der wichtigste Weinberg, da haben viele Generationen meiner Familie schon drin gearbeitet. Portugieser ist nun mal eine traditionelle Pfälzer Rebsorte. Im „Fine Wine Magazine“ gab´s mal einen Artikel über mich mit der Überschrift: „Portugieser ist meine Heimat“. Und genau so ist es auch.
Sie sind ein Mensch, der immer neue Ziele ansteuert, immer neue Herausforderungen sucht. Gehört zu Ihren Zielen auch, Ihren Wein international noch bekannter zu machen?
Natürlich ist es schön, wenn man hier und da noch eine Listung bekommt. Aber wir sind hier im Weingut im Schnitt nach 6 Monaten ausverkauft. Und jetzt zeigt uns ja diese weltumfassende Krise, wie schön es ist, wenn man zu Hause einen Markt hat und auch treue Kunden, die mit einem da durchgehen. Die Richtung, die wir einst vorgegeben haben: erst Deutschland und dann schauen wir mal ist jetzt im Nachhinein betrachtet absolut richtig.
Als gebürtiger Pfälzer haben auch Sie eine starke Heimatverbundenheit. In welcher Situation verspüren Sie besonders deutlich das Gefühl, nach Hause zu kommen?
Egal, woher ich komme, ich reise immer über die Autobahn A 650 an. Wenn ich dort fahre und sehe, so auf der Höhe von Maxdorf, die Pfalz und die ersten Weinberge, dann fühle ich mich daheim. Ich reise viel, habe eine kleine Wein-Produktion in Portugal und eben auch in Südafrika, aber wenn ich in Kapstadt bin und es sind drei oder vier Tage um, dann merke ich, dass ich wieder heim will.
Welche Orte oder Plätze schätzen Sie besonders in der Pfalz?
Oh, da könnte ich Ihnen jetzt fünfzig oder mehr aufzählen. Gestern war ich mit meiner Frau und meinen Kindern in Forst, von dort aus sind wir hochgelaufen zur Madonna im Weinberg. Dann mag ich Deidesheim, die tolle Gastronomie, den Ungeheuersee bei Kallstadt… so banal sich das anhört, aber das alles ist für mich wie Urlaub.
Vor diesem Hintergrund: wie gefällt Ihnen das neue Portal #EINSTÜCKPFALZ?
Gut! Lifestyle muss nicht unbedingt Maui, Kapstadt oder die Côte d´Azur sein, Lifestyle kann auch hier in der Pfalz sein. Wir müssen es nur leben und das wird ja mit diesem Portal auch gemacht – deshalb finde ich es gut. Wenn ich z.B. in Berlin bin, zeige ich auch gern Fotos von der Pfalz, von unserer Landschaft, wie schön es hier ist. In erster Linie sehe ich mich auch als Botschafter für die Pfalz – dann erst denke ich dran, eine Flasche Wein zu verkaufen.
Wie definieren Sie Pfälzer Gastfreundschaft?
Wir Pfälzer setzen uns grundsätzlich nie alleine an den Tisch. Dort, wo man – ich sag´s jetzt mal im Dialekt – noch „mitbabble“ kann, dort sind wir eben auch gleich per Du.
Ich glaube, wir Pfälzer sind grundsätzlich etwas lockerer und offener und deshalb funktioniert das so gut mit dieser Gastgeberrolle. Und wenn man sich dann noch ein bisschen Lockerheit in anderen Ländern abschaut, wie z.B. Südafrika, dort kommt das ganz tief aus dem Herzen, wirklich begeistert sein, nicht künstlich freundlich, sondern wirklich nett, wenn man das noch etwas mitnimmt, dann ist das, glaube ich, eine gute Mischung.
Nun gab es in all den Aufstiegsjahren des Winzers Markus Schneider auch Neider in der Pfalz, Kritiker, die gesagt haben: das, was der macht, ist doch gar kein typischer Pfälzer Wein! Wie gehen Sie mit dieser Kritik um?
Ich sag´s Ihnen ganz ehrlich und das dürfen Sie ruhig schreiben. Es ist mir scheißegal. Was da kommt, ist alt. Es gibt keine neue Kritik mehr, weil, ich glaube, mittlerweile hat man gesehen, dass der Markus Schneider dem Weinbau gut tut. Und zu dieser Pfälzer Stilistik: was soll ich denn machen? Einen halbtrockenen Kerner oder einen lieblichen Müller-Thurgau, damit ich diesen Leuten recht bin? Nein – over my death body!
Empfinden Sie Dankbarkeit für das, was Ihnen in Ihrem Leben als Winzer gelungen ist?
Jeden Tag bin ich demütig und dankbar. Jeder, der mich nicht kennt und das hört, denkt: oh, der Schneider, was ein Sprüchbeutel. Jeder, der mich kennt, weiß dass es von Herzen kommt. Ich stehe jeden Morgen am gleichen Fenster, putze mir die Zähne, schaue aus dem Fenster und denke: danke, danke. Natürlich kostet unsere Arbeit auch viel Kraft. Heute morgen habe ich fünf Stunden lang Rotwein probiert, einzelne Fässer bewertet, das sehen ja viele nicht, die etwas kritisieren. Die sagen: ´beim Schneider, da läuft es ja gerade so, als wenn nichts wäre´. Aber ich kann Ihnen sagen: so ist es nicht. Es ist jeden Tag ein Hinterfragen und ein Neu-Angreifen.
Wagen wir mal den Blick in die Zukunft. Sie sagen gerne mal: wenn´s so weitergeht, bin ich zufrieden. Jetzt erleben wir aber gerade aktuell, dass sich die Welt massiv verändert. Was, denken Sie, werden wir aus dieser Zeit mitnehmen in die Zukunft?
Ich hoffe nicht, dass wir uns künftig nur noch via Video-Konferenz unterhalten können, dass wir keine Nähe mehr zulassen können. Aber es war in der jüngsten Vergangenheit auch alles zu viel, die Welt hat sich zu schnell gedreht. Und trotzdem: ich war am 11. September 2001 in New York, oder betrachten wir die Finanzkrise 2008, danach wurde es nicht ruhiger, es wurde immer schneller. Alle sagen, jetzt werden wir künftig anders miteinander umgehen. Ich bezweifle das einerseits, andererseits hoffe ich sehr, dass sich etwas positiv verändern wird.
Was wünschen Sie unserer Heimat, der Pfalz als Region, für die Zukunft?
Mein Herzenswunsch? Bundesliga-Fussball! Der FCK muss dringend wieder Bundesliga spielen! Dann ist das Leben hier perfekt, dann brauche ich nichts mehr. Delfine im Rhein vielleicht noch. Im Ernst und als Winzer gesprochen: wir müssen hoffen, dass es nicht trockener wird, dass wir weiterhin mit dem Regen gesegnet sind. Ich kenne Landstriche in der Welt, wo Weinbau nur noch unter extremen Voraussetzungen möglich ist. Das darf hier nicht passieren.
Sie haben zwei Kinder im Alter von dreizehn und zehn Jahren. Hegen Sie den Wunsch, dass die mal in Ihre Fußstapfen treten?
Ja, das wünscht sich wohl jeder. Es gibt für uns drei Szenarien: einer übernimmt es, beide übernehmen es, keiner übernimmt es. Und dann ist das so. Schön wär´s natürlich. Ich denke, wir haben jetzt den Grundstein gelegt mit den ganzen Pflanzungen, dass die Weinberge in zwanzig, dreißig Jahren ein Alter haben, um ganz große Weine daraus zu produzieren. Es gibt keinen Investitions-Stau, es ist alles da und das Weingut macht einen Riesenspaß. Im Endeffekt müssen sie natürlich das machen, was sie glücklich macht. Wir haben ja noch Zeit mit der Entscheidung und bis dahin mach ich eben weiter!
(Das Interview führte #einstückpfalz-Redakteurin Susanne Kripp)